Bank aktuell 

zurück 

 

Inhalt:

 

 

- Die Hauptversammlung als Event 

-Analysten können zur Aktienakzeptanz beitragen

 

Die Hauptversammlung als Event

Er hat sich extra Urlaub genommen, ist von Frankfurt am Main nach Hamburg gereist. Schließlich sei so eine Hauptversammlung immer eine spannende Sache. „Ein bis zwei pro Jahr nehme ich schon mit“, sagt Michael Schmidt. Er ist 35 Jahre alt, Bankkaufmann, und besitzt 100 Aktien der Norddeutschen Affinerie (NA). Schmidt ist einer von 2600 Kleinaktionären, die zur Hauptversammlung des Kupferherstellers am 22. März 2001 in das Congress Centrum (CCH) nach Hamburg gekommen sind. Mit dem Andrang hat kaum einer gerechnet.

 Die NA läutet die diesjährige Saison der Hauptversammlungen ein. Und die gut gefüllte Kongresshalle wird kein Einzelfall bleiben. Die Telekom rechnet bei ihrer Hauptversammlung mit 10000 Besuchern, die Post will 14000 Gäste begrüßen und zu DaimlerChrysler werden wohl mehr als 20000 Aktionäre kommen. In Deutschland boomt der Hauptversammlungstourismus. Immer mehr Unternehmen locken ihre Aktionäre mit Events und gutem Essen. „Die Treffen nehmen Volksfestcharakter an“, sagt Petra Vogel. Die Geschäftsführerin von HV-Boss organisiert Hauptversammlungen.

 Im CCH berichtet derweil NA-Chef Marnette über die Erfolge des Geschäftsjahres 1999/2000 – Zahlen, die den Kleinaktionären schon Tage zuvor per Post zugegangen sind. Jetzt werden diese gemeinsam beklatscht. Die Privatanleger sind stolz auf „ihr“ Unternehmen. Der Vorstand sagt Danke: „Ohne Sie hätten wir unsere hohen Ziele nicht erreichen können.“ 3154 Menschen arbeiten für die NA, der Umsatz beträgt 1,897 Milliarden EUR, der Bilanzgewinn 24 Millionen EUR. Der Aktienkurs ist seit dem Börsengang konsequent gestiegen.

So etwas macht Kleinanleger glücklich. Ein grauhaariger Hamburger verkündet am Rednerpult, er wolle die Aktien als Perle im Depot seinen vier Kindern vererben. Ein anderer Rentner, eigens aus Bayern angereist, hat eine Bitte: Könne man nicht die vielen Anglizismen im Geschäftsbericht entfernen? Dies verstehe doch kein Mensch. Gelächter im Publikum. 150 Minuten nach Beginn hat kaum ein Besucher noch Sitzfleisch. Draußen wartet ein Buffet: Gulaschsuppe, Salzbrezeln, Schnittchen, dazu Säfte und Kaffee. Die Leinenbeutel mit dem Geschäftsbericht werden unter den Stehtischen abgestellt.

 Hendrik Hagenmeier, Besitzer von 200 Aktien der NA, ist zum ersten Mal dabei. „Ich war neugierig, wie so etwas abläuft“, sagt der 21-jährige Wirtschaftsstudent aus Bremen. „Hätte nie gedacht, dass so viel diskutiert wird und hier so viele Rentner sind. Aber die haben mehr Zeit.“ Wie Heinz Westerling. „Ich  interessiere mich für Wirtschaft“, so der 72-jährige. Arthur Stapler aus Cuxhaven geht es um die Unternehmensverbundenheit. „Ich fahre auch zu DaimlerChrysler“, sagt der Pensionär. Vier Stunden nach Beginn löst sich die Veranstaltung im CCH auf. Einige Aktionäre geben noch ihre Stimme zum Dividendenvorschlag ab. Dann treten auch sie die Heimreise an.

 

 

Analysten können sehr wohl zur Aktienakzeptanz beitragen (Auszug)

Von Rüdiger von Rosen, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Aktieninstituts e.V.

Börsen-Zeitung vom 11. Mai 2007

 

(...) Ein entscheidender Grund für die mangelnde Aktienakzeptanz in der deutschen Bevölkerung liegt auf der Hand: Ein Großteil der Deutschen sind mit den Besonderheiten der Aktie noch nicht ausreichend vertraut. Viele empfinden daher auch die Aktienanlage als zu riskant.

 

Damit verzichtet der Anleger aber auf eine effiziente Möglichkeit, sein Geld zu vermehren. Im Vergleich zu anderen Anlagealternativen liegen Aktien, was ihre langfristigen Renditeaussichten betrifft, deutlich vorn. Während der Anleger beispielsweise mit Rentenpapieren eine langfristige Jahresdurchschnittsrendite von rund 6% erwirtschaften kann, lässt sich durch die Aktienanlage in der langen Frist eine recht stabile Rendite von 8 bis 10% erzielen. Vor dem Hintergrund der soeben beschriebenen Schwierigkeiten, was die Aktienakzeptanz in der deutschen Bevölkerung betrifft, muss eine immer wieder artikulierte pauschale Analystenschelte relativiert werden. Dieser Berufsstand kann auf unterschiedliche Art und Weise sehr wohl dazu beitragen, den Stellenwert der Aktie als Anlageinstrument im Vergleich zu alternativen Formen des Vermögensaufbaus zu verdeutlichen.

 

Dazu gehört, die Chancen der Aktienanlage in der Öffentlichkeit zu betonen und auf Strategien hinzuweisen, wie mit den damit verbundenen Risken am besten umzugehen ist. Diese Aufgabe nehmen Analysten durch Untersuchungen, Veröffentlichungen, Vorträge etc. wahr. Dadurch erleichtert das Research der Wertpapieranalysten dem Anleger die Entscheidung, wenn fundierte Empfehlungen auf das Kurspotenzial oder auch das besondere Risiko einer Aktie hinweisen. Dass der Investor davon auch tatsächlich profitiert, belegt eine Reihe von Studien der empirischen Kapitalmarktforschung.

 

Neben der Funktion, solche Informationen bereit zu stellen, übt die Wertpapieranalyse sicherlich zu einem bestimmten Grad auch einen disziplinierenden Effekt auf das Management der Emittenten aus, das selbstverständlich an Kaufempfehlungen interessiert ist. Eine Geschäftspolitik, die dem Börsenkurs und damit auch dem Aktionär nachhaltig schadet, mündet rasch in eine Verkaufsempfehlung, die aber die Unternehmensführung tunlich vermeiden möchte.

 

Analysten stellen also dem Anleger wichtige Dienstleistungen zur Verfügung und sorgen dafür, die Attraktivität der Aktie zu erhöhen. Klar ist, dass diese Form der „Lobbyarbeit im Dienste der Aktienakzeptanz“ nicht von einer altruistischen Haltung dominiert wird. Vielmehr überwiegen handfeste betriebswirtschaftliche Motive, denn die Analysten befolgen damit natürlich den Auftrag ihres Arbeitgebers, für die Popularität der Aktie zu werben. Werden mehr Aktien gekauft, so erhöhen sich auch die Provisionen der Brokerageabteilungen in den Banken.

 

Klar ist aber ebenso, dass sich aus dieser Konstellation auch ernst zu nehmende Interessenskonflikte ergeben können, beispielsweise wenn ein Analyst gerade solche Aktien besonders nachdrücklich zum Kauf empfiehlt, die sein Arbeitgeber gleichzeitig als Emissionsbank auf dem Börsenparkett erfolgreich platzieren möchte. Die Integrität der Analystenempfehlungen muss also gewährleistet werden. Empfehlungen, die nicht unabhängig, sondern bewusst diesen Interessen folgen, führen zu einem Vertrauensverlust auf Seiten der Anleger und schaden damit der Aktienakzeptanz in Deutschland als Ganzem. Doch diese Gefahren wurden in der Branche bereits erkannt. Ein wichtiger Schritt sind beispielsweise die Grundsätze, die gemeinsam von der DVFA e.V. und German CFA Society e.V. erarbeitet und auch von der nationalen Wertpapieraufsicht, der BaFin, anerkannt wurden. So wichtig Selbstregulierung wie auch gesetzlicher Anlegerschutz sind, sie gewähren keine Garantie. Letztendlich muss der Anleger jede Kauf- oder Verkaufsentscheidung selbst verantworten.